DAS GEHEIMNIS DER RUSSISCHEN SPORTGENE
1. FOLGE – HOCKEY
Wiederentdeckt und begehrt: Russen-Trakehner und ihr kostbares Erbgut - Eine Analyse der Züchter-Stammtisch-Post.
Die Russen kommen. Langsam und gewaltig. Ein Phänomen wirbelt die internationale Zuchtszene durcheinander, seit Vererber aus Russland für überragende Leistungen in Dressur und Springen stehen. Biotop, Prints, Waitaki, Perechlest oder Rusty – die Russen-Trakehner haben eines gemeinsam: Ausstrahlung und Leistungsbereitschaft. Die Pedigrees lüften das Geheimnis um die Gene dieser bedeutenden Hengste aus Kirow: Hockey, Topki, Blesk oder Pepel. Das zweite Phänomen. Diese Gene haben sich in Sport und Zucht durchgesetzt, ohne dass es für sie irgendein Marketing oder eine Werbekampagne gegeben hätte. Der Run auf das kostbare Kirow-Blut ist in vollem Gange. Die Züchter-Stammtisch-Post stellt die Ausnahme-Hengste aus Russland vor. In der ersten Folge: Hockey.
Juwel aus dem Osten
Für den Horseman Palle Thisted aus dem dänischen Farvang war er mehr als ein Pferd: „Eine Persönlichkeit, klug, mit großen aufmerksamen Augen. Und immer mit freundlichem Blick. Ich hatte das Gefühl, wenn ich seine Boxentür öffnete, dass er über magnetische Kräfte verfügte." In der Zucht – da ist sich Thisted sicher – war er ein "Welthengst". Sein Name muss gleichrangig neben denen solcher Top-Beschäler wie Landgraf, Cor de Ia Bryere, Polydar oder Weltmeyer stehen.
Hockey - der Name tauchte zum erstenmal in Deutschland auf, als das Springwunder, sein Sohn Prints, hierzulande Große Preise gewann. Dann kam der Bewegungskünstler Biotop. Großvater: Hockey. Der Durchbruch der Gene aus dem Osten war perfekt. Dort hatte Hockey, der überragende Beschäler aus Kirow bei Rostow am Don, der Zucht längst seinen Stempel aufgedrückt. „Sie sind alle so schön zu reiten, die Hockey-Nachkommen“, schwärmt Palle Thisted, der sich intensiv und vor Ort mit der russischen Trakehner-Zucht beschäftigt hat. „Sie sind arbeitsfreudig in der Dressur und für jeden Springreiter eine Versicherung für korrekten Absprung und exakte Flugkurve.“
Weltrekord: 40 Grand-Prix-Nachkommen
Thisted hat den Hengst vor fünf Jahren – da war er 21 – nach Dänemark geholt als sich der Trakehnerverband im Tiefschlaf befand. "ln Kirow ist er auch eingesetzt worden", so der Däne, „wenn Stuten nicht tragend wurden. Bei Hockey klappte es fast immer." Thisted ist auf den Spuren des Stempelhengstes zu einem sensationellen Ergebnis gekommen: 40 seiner Nachkommen sind Grand-Prix-Pferde geworden – im Springen wie in der Dressur. Weltrekord!
Hockey – so weiss Karl Wilhelm (64), 18 Jahre lang Gestütsleiter im sächsischen Stockhausen ist erst im Alter von acht Jahren richtig ins Deckgeschäft gekommen: „Vorher musste er sich knallhart im Sport bewähren. Ohne sportliche Leistung ging in Kirow nichts." Dazu zählt auch die Bewährung auf der Rennbahn. Als Junghengst sind ihm zwei bis drei Stuten zugeführt worden. „Man wollte sehen, wie er sich denn exterieurmäßig vererbt." Erst als die sportliche Erfolgsserie da war, wechselte Hockey vom Sport- in den Beschälerstall.
Wezels Engagement
Leistung vor Typ! Nach diesem Motto geht es – so Hans Ernst Wezel (Züchter von Peron) aus dem bayrischen Burgkirchen, der gemeinsam mit Karl Wilhelm die Trakehner Stutbücher aus Kirow überarbeitet, ausgewertet und kommentiert hat – in Kirow: „Man sollte deshalb die alten Stutbücher und Zuchtrezepte des Hauptgestüts Trakehnen studieren, denn dann stößt man darauf, dass nicht etwa die Russen die Leistungszucht erfunden hätten, sondern sie haben sie nur gründlich studiert, während dies bei uns mehr und mehr in Vergessenheit geraten ist." Tatsächlich wurden die Bemühungen von Palle Thisted, der Trakehner Zucht via Dänemark und Hockey, Topki, Blesk wichtiges neues Blut zuzuführen, vom Verband nicht unterstützt. Im Gegenteil: Der Eindruck drängte sich auf, die Verantwortlichen, zum Teil selbst Großhengsthalter, entwickelten eine Abwehr-Strategie für alles, was an Leistungsgenen aus Kirow kam und damit zur Konkurrenz wurde. Der damalige Verbands-Chef, Gottfried Hoogen, hätte nach Öffnung des Eisernen Vorhangs die bewährten Gene des Ostens am liebsten gleich nach Deutschland geholt. Er stieß hierzulande auf eine breite Abwehrfront, was ihn letztlich sein Amt kostete.
Hockeys Maße: 1,66 Meter Stock, 1,93 Meter Brustumfang, 21,5 cm Röhrbein. Hinzu kommen eindrucksvoller Bewegungsmechanismus und glänzendes Interieur. Ein Juwel aus Kirow.
Der Ausnahme-Beschäler ist 21 Jahre alt geworden. Jetzt hat ein Run auf seine Gene eingesetzt. Die Rheinische Zucht hat sich über das Gestüt Windhergin Viersen alle restlichen TG-Spermen von Hockey gesichert. Mit Spannung wird der erste Hengstjahrgang 2000 erwartet.
Hockeys Vorfahren
Pribojs Einfluss
Gottfried Hoogen, heute Ehrenvorsitzender des Trakehner Verbandes mit Spezialwissen um die Gene aus dem Osten, hatte bereits formuliert: "Der Vollblut-Araber Priboj hat den Kirow-Hengsten Härte, Gesundheit und Leistungsbereitschaft gebracht." Womit Hockeys Großvater bereits verraten wäre. Er kam aus Tersk, wo die Pierde durch eine harte Schule mussten und auch im Arbeitseinsatz waren. Priboj frischte das Kirow-Blut auf. Sein bedeutendster Sohn: Pomeranets, Hockeys Vater.
Pomeranets und Mammona
Ihre eigene Geschichte- so berichtet Karl Wilhelm - hat auch Hockeys Großmutter, die Pomeranets-Mutter Mammona. Ihr Vater ist der bedeutende Vollblut-Araber Ofir, der aus dem berühmten polnischen Arabergestüt Janow Podlawski stammt. Als die Russen im Jahr 1939 das Gestüt okkupierten, ehe die Deutschen kamen, absolvierte Mammona als Fohlen einen Fußmarsch über 1800 Kilometer bis nach Tersk.
Der bedeutende Pilger
In der Mutterlinie hat Hockey das Blut von Pilger. Dem ist eigentlich nichts hinzuzufügen. „Pilger ist bis in die heutige Zeit nicht mehr wegzudenken", so Hans Ernst Wezel. „Er wird durch seine Leistungserfolge, besonders auch im Springsport, immer bedeutender und auffallender." Der Dunkelbraune, 1926 in Trakehnen geboren, deckte im Jahr 1934 übrigens in Hannover – für das Landgestüt Celle, und zwar in Kehdingbruch. Im Hintergrund des Hoykey-Pedigrees kommen übrigens die klassischen Trakehner-Gene von Dampfroß, Luftgott, Tempelhüter oder Hyperion.
Stamm-Mutter Pawa
Karl Wilhelm legt großen Wert auf die Feststellung: „Hockeys Mutter, Hasa, kommt aus einer bedeutenden Stutenfamilie. Die Stamm-Mutter ist die berühmte Pawa. Womit der Pierdemann aus Sachsen das Fazit zieht: „Der Hengst hat von allen Seiten die besten Gene."
HOCKEYS ERFOLGREICHE NACHZUCHT
Prints - Der schwarzbraune Hockey-Sohn setzte als erster Kirow-Import in der von Holsteinern, Westfalen und Hannoveranern geprägten internationalen Springsport-Szene neue Akzente. Mit ihm wurde der „Russen-Trakehner" zum Begriff. Unter Anatoli Timchenko und Ebnar Gundei heimste der gekörte Hengst Siege in Großen Preisen ein und imponierte in zweifacher Hinsicht – mit außergewöhnlichem Springvermögen und überragender Leistungsbereitschaft. Wer ist der Vater? So fragten alle – und Hockey war in aller Munde.
Biotop - Sein Name ist untrennbar verbunden mit dem kürzlich verstorbenen legendären Dressur-Ausbilder und Champion Dr. Reiner Klimke. Der gekörte Rapphengst (Vater: Blesk) hat Hockey in der mütterlichen Linie als Großvater und führt damit das bedeutende Blut. Klimke brachte ihn in die Weltklasse. Freunden gestand er: „Wenn ich auf ihm sitze, fühle ich mich zehn Jahre jünger." Tochter Ingrid hat auf Biotop kürzlich in Riesenheck den Grand Prix Special gewonnen.
Perechlest – Noch ist er ein Geheimtip, dieser Phönix aus der Asche. Der Hockey-Sohn (aus einer Blesk-Mutter), seit dem vegangenen Jahr unter dem Sattel von Weltmeisterin Ulla Salzgeber, ist auf dem Weg zur internationalen Dressurspitze. Grand-Prix-Siege in Rohr und Babenhausen signalisieren: Dieser Hengst (der bald gekört werden soll) wird ein Großer. Was Ulla Salzgeber, die mit Rusty und Wallstreet zwei weitere Top-Dressurpferdemit Trakehner-Blut aus Russland reitet, an diesem Pferd so schätzt? Seine Piaffe-Passage-Stärke, seinen Charakter und seine Arbeitsbereitschaft
Edinburg – Hockeys Vater, der Vollblut-Araber Pomeranets, ist auch der Muttervater dieses Dressur-Hengstes, unter dem die Finnin Kyra Kyrklund Dressur-Triumphe feierte. Unter anderem gewannen die beiden das Deutsche Derby in Hamburg.
Russland/Ukraine
(alles Hengste)
Hochot -Russlands Dressur-Champion 1990.
Hasar - Springchampion der Ukraine 1978.
Warnach - Champion der Ukraine im Springen, international auf deutschen Turnieren platziert.
Saporoshez - Russlands Dressur-Champion 1993.
Proshektor - Dresur-Preisträger auf Turnieren in Russland.
Eskis - RussischerSpring-Chanlpion 1990 bis 1993.
Pachar - Spring-Champion der Union und der Ukraine, Preisträger bei internationalen Turnieren, Gewinner des Volvo-Cups.
Ariekin - Auf deutschen Dressur-Turnieren 1992 platziert.
Podchod - Russlands Dressur-Champion 1992.